(Stellt in Überschrift klar: "War da was?", nicht "War das was?")
* Union schließt ihre Reihen nach langem Streit
* CSU-Chef lobt Kanzlerin und Landesgruppenchefin
* Kampf um die Deutungshoheit in Flüchtlingskrise
* Demonstrativer Auftritt Merkels und Seehofers
- von Andreas Rinke
Berlin, 03. Nov (Reuters) - Horst Seehofer sitzt zurückgelehnt in seinem Stuhl in der bayrischen Landesvertretung in Berlin und lässt Gerda Hasselfeldt reden. Er weiß: Trotz seines Schweigens gilt die ganze Aufmerksamkeit der Journalisten an diesem Dienstag nicht der Landesgruppenchefin, sondern nur ihm als Generalkritiker der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise. Nach zehn Minuten aber setzt er dann zu einer einstündigen Erklärung seiner Politik an. Zwar betont der CSU-Chef: "Es ist mir piepegal, wer gewonnen hat." Sein zweitägiger Auftritt in Berlin dient aber vor allem dazu, zu unterstreichen, dass sich die CSU gegenüber CDU-Chefin Angela Merkel eben doch durchsetzt habe - zumindest zum Teil.
Deshalb steht Seehofer wenig später auch zufrieden neben Merkel vor dem Fraktionssaal von CDU und CSU im Bundestag. Im Blitzlichtgewitter passt plötzlich kein Blatt mehr zwischen die beiden Vorsitzenden der Schwesterparteien, die in den vergangenen Wochen den Eindruck erweckten, als könnte die jahrzehntelange Fraktionsgemeinschaft zerbrechen. Doch jetzt betont Merkel wie von Seehofer gewünscht das Ziel, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. Der CSU-Chef seinerseits unterstreicht wie erbeten, dass es natürlich eine europäische Lösung geben müsse - und diese Zeit brauche. War da was?
Wie immer, wenn Seehofer das Gefühl des politischen Triumphs vermitteln will, gibt er sich großzügig. Die Kanzlerin lobt er als "totalen Profi", die Landesgruppenchefin als Erfinderin der Transitzonen. "Das betrübt mich, weil der Vorschlag nicht mir eingefallen ist", flötet er - und lobt dann noch die Rolle Hasselfeldts bei den zehnstündigen Gesprächen im Kanzleramt. Dieses Lob habe er auch im CSU-Vorstand und in der Landesgruppe angebracht. Das klingt nett. Aber ganz nebenbei stellt der Parteichef damit auch die Hackordnung in der CSU klar. Immerhin will er sich in wenigen Wochen als CSU-Chef wiederwählen lassen.
SPOTT FÜR DIE SPD
Deshalb wurmt es ihn auch, dass die Boulevard-Zeitung "Bild" am Montag eben doch Merkel als Siegerin im unionsinternen Ringen um den richtigen Flüchtlingskurs bezeichnet hatte. Wortreich streicht er alles heraus, was im gemeinsamen Unions-Papier an Begrenzungs-Maßnahmen genannt wird. Endlich hätten beide Parteien zudem festgeschrieben, dass sie keine Multi-Kulti-Gesellschaft wollten. Deshalb könne er gut damit leben, dass nun doch nicht von Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen die Rede sei, die Merkel vehement ablehnt. "Der Streit Begrenzung oder Obergrenze ist mir nicht noch ein Wochenende wert", scherzt er mit Hinweis auf die Dauer-Gespräche im Kanzleramt.
Und weil dies immer gut ankommt, vergießt Seehofer Kübel des Spotts über die Sozialdemokraten. SPD-Chef Sigmar Gabriel sei am Sonntagmorgen offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt worden. Das zweistündige Gespräche im Kanzleramt habe der "informativen Aufrüstung" Gabriels gedient. Dieser sei aber offensichtlich in der Erwartung gekommen, als Schiedsrichter in einem Boxkampf zwischen seinen Koalitionspartnern agieren zu können. "Das hat er nicht so angetroffen. Nicht jeder kann sich dann sofort auf eine neue Situation einstellen", fügt Seehofer spöttisch hinzu und macht sich dann noch über die SPD-Kritik an den Transitzonen lustig. Falls dies der Einigung diene, könne man die Einrichtungen ja "Stegner-Haus" nenne, flakst er mit Blick auf die scharfe Kritik durch SPD-Vize Ralf Stegner.
"DER STREIT IST BEIGELEGT"
Aber waren da nicht noch seine ständigen persönlichen Angriffe auf Merkel? Seehofer kann sich nicht erinnern. Ja, er habe immer wieder die inhaltliche Auseinandersetzung gesucht, "aber ohne persönliche Verletzungen", sagt er mit unschuldigem Gesicht. In der Fraktion bleibt dann der vor wenigen Tagen noch beschriene Aufstand der Hardliner aus, die auf Grenzschließungen drangen. Es habe eine "aufgeräumte Stimmung" geherrscht, sagte Teilnehmer. "Der Streit ist aus meiner Sicht beigelegt", meint der innenpolitische Sprecher der Union, Stephan Mayer, denn auch. Und falls es doch wieder einen geben sollte, wollen Seehofer und Merkel alles anders machen. Künftig will man sich alle zwei Wochen treffen - "körperlich, also mit körperlicher Präsenz", wie der CSU-Chef betont.
Um 16.28 Uhr kommt Seehofer aus der Fraktion, Mission erfüllt. "Merkel und ich haben die Zustimmung der Fraktion bekommen", sagt er zufrieden. Die SPD müsse nun sehen, dass sie nicht mehr darauf setzen könne, dass CDU und CSU uneinig in dieses Treffen gingen. Mit Blick auf Donnerstag fügt er hinzu: "Die SPD muss sich darauf einstellen: Wir müssen uns einigen." Dann soll es ein neues Treffen der drei Parteichefs geben.